Semper Fidelis
🐴Sarino 10.05.1988 – 20.05.2019🌹
Heute vor zwei Wochen ging ein Lebensabschnitt von mir zu Ende. Mein geliebter Fuchs hat im Alter von 31 Jahren seine letzte Reise angetreten und ist über die Regenbogenbrücke galoppiert🌈.
Als er vor fast genau 20 Jahren zu mir gekommen ist, hatte ich noch keine Ahnung, was mir dieses Pferd mal bedeuten würde.
Im Januar 1999 habe ich die Pferde Zucht und Sport durchgeblättert und eine Anzeige gesehen, die ein S – Dressurpferd im Alter von 11 Jahren mit der Abstammung eines Oldenburgers beschrieben hat. Dort war die Rede von einem hocheleganten Fuchswallach mit 3 überdurchschnittlichen GGA und einer guten Veranlagung für Piaffe und Passage. Diese Anzeige habe ich ausgeschnitten und die ist bis heute in Folie verpackt in meinem Geldbeutel. Zwei Stunden nachdem ich die Anzeige gelesen hatte stand ich dann neben einem wunderschönen, mächtigen, kraftvollen, gesattelten Fuchs, der mich mit seinen strahlenden Augen in seinem Bann gezogen hat. Wenige Minuten später durfte ich auf seinem Rücken Platz nehmen und fühlte wie von der ersten Sekunden wohl. Es fühlte sich so an, als wäre ich zu Hause angekommen. Ich kann es schwer beschreiben, aber vom ersten Moment an fühlte ich mich sicher und beschützt. Dieses Gefühl hatte ich bis zu diesem Augenblick noch nie gespürt.
Die Entscheidung war gefallen. Entweder dieser Fuchs oder ich höre mit dem Reiten auf. Jedes andere Pferd, das ich noch „ausprobieren“ durfte hat mir dieses Gefühl nicht geben können. Wenige Wochen später fuhr dann ein LKW im Stall vor und dieser Fuchs war nun mein Fuchs 🐴💙🤩.
Sarino war mein bester Freund, mein Seelentröster in schweren Zeiten, mein Lehrmeister in der Dressur, mein Partner im Sport und vieles mehr, was ich gar nicht in Worte fassen kann. Es ist unglaublich, dass ein Tier einem Menschen so nahe kommen kann.
Mein Fuchs hat mir aus sportlicher Sicht alles beigebracht, was ich heute kann. Er hat mir gezeigt, was es bedeutet mit einem Pferd ein Team zu werden und das Pferd nicht als Sportgerät zu betrachten. Den Reitsport sehe ich durch ihn mittlerweile mit anderen Augen. Schon als er zu mir kam hatte er den Spitznamen „Professor“ und das war er auch. Sein Vorbesitzer sagte immer dieses Pferd kann lesen und schreiben. Damals wusste ich nicht, was er damit meinte. Heute ist es mir klar.
Professor Sarino hat mir nämlich mit einer liebevollen Hartnäckigkeit gezeigt, dass ich beim Reiten die Fehler schön bei mir selbst und nicht bei ihm suchen soll. Habe ich eine Hilfe nicht korrekt gegeben, hatte ich sofort die Quittung dafür. Das war von Anfang an so und hat sich im Lauf der Jahre nicht geändert. Im Nachhinein habe ich nur so reell reiten lernen können und recht hatte er ja auch. Dabei habe ich als junge Reiterin ja unzählige Fehler gemacht. Aber die hat mir mein Herr Professor alle verziehen. Er war schon sehr geduldig mit mir und trotz allem ist er nie böse geworden. Denn man muss sich mal vorstellen, was ein ausgebildetes S – Dressurpferd mit einem damals ahnungslosen Zwerg wie mir alles mitgemacht hat. Dazu kam außerdem noch, dass so ziemlich jeder gesagt hat, dass ich dieses Pferd nie wirklich reiten können werde, weil er viel zu stark für mich ist. Er sei ein Männerpferd, hieß es von allen Seiten. Damit hatten mir alle Leute, die beste Motivation gegeben, die es gibt. Mein Fuchs und ich haben auf diese Stimmen gepfiffen, uns zusammengerauft und wir sind unseren wunderschönen Weg gemeinsam gegangen.
Aber Herr Professor hat es mir auch wirklich nicht leicht gemacht. Bis ich seine Knöpfe gefunden habe, hat es wirklich lange gedauert. Denn eine Bedienungsanleitung für meinen Fuchs gab es nicht. Sarino hat aber geduldig gewartet bis ich einigermaßen eine Ahnung hatte, wie diese Dressur tatsächlich funktioniert. Er hat mir gezeigt, dass ohne Gefühl schon mal gar nichts läuft und ohne Fairness dem Pferd gegenüber ebenfalls nicht. Den Herrn Professor zu irgendwas zu zwingen war nicht möglich und das war auch gut so. Diese Lektionen, die mir Sarino erteilt hat, sind für mich unbezahlbar.
Im Lauf der Jahre sind wir so zu einem Team geworden und haben vom Reiter Wettbewerb bis zum St. Georg alle Klassen erfolgreich gemeistert.
So hat er mich geformt und geprägt, was den Sport angeht. Alles, was ich heute kann, weiß und auch an meine Mädels im Training weitergebe, das habe ich von Sarino gelernt. Meine Sichtweise, was den Sport ausmacht hat sich durch ihn verändert. Sportlicher Erfolg ist was Tolles, aber die Verbindung zu dem Pferd ist viel wichtiger.
Nun aber zum weit wichtigeren Teil. Wenn ich davon spreche, dass er mich geprägt hat, was den Sport angeht. Dann muss ich sagen, dass er mich auch als Mensch geformt hat.
Denn er hatte Charaktereigenschaften, die sich viele Menschen wünschen würden. Obwohl ich immer sage, dass man ihn hätte erleben müssen, versuche ich es mal zu beschreiben.
Zuallererst hatte er ein Herz aus Gold, dass von einer Ehrlichkeit geprägt war. Es gab in den zwanzig Jahren keinen einzigen Moment, wo er unfair zu mir war oder irgendwas Böses im Sinn hatte. Ein Scherzkeks war er schon, aber das hat ihn auch mit ausgezeichnet. Denn langweilig war es mit dem Herrn Professor keine Minute. Irgendeinen Blödsinn hatte er immer auf Lager. Sei es unter dem Koppelzaun durchzuschlüpfen ohne abzuhauen, sich selbst loszubinden und mich mit Strick im Maul grinsend anzuschauen oder sich frisch fürs Turnier eingeflochten aus dem Staub zu machen und auf dem Misthaufen zu wälzen. Scherzkeks hält 🤭.
Seine liebevolle Hartnäckigkeit mir solange etwas zu zeigen bis ich es kapiere, war immer wieder lehrreich für mich. Dies galt fürs Reiten, genauso wie für alles andere.
Sarino war das stolzeste Pferd, das ich bisher kannte. Er hat immer gekämpft und nie aufgegeben. Im Nachhinein betrachtet hat er mehr für mich gekämpft, als für sich selbst und das nicht nur im Sport. Denn im Alter von 25 Jahren hatte er eine sehr schwere Kolik und musste notoperiert werden. Ich war bis er in Narkose gelegt wurde bei ihm und hatte aber zusammen mit dem Tierarzt die Entscheidung getroffen ihm die Chance zu geben, da sein Gesundheitszustand und seine Fitness keinen Zweifel offen gelassen haben, ob er sich nochmal völlig erholen kann. Aber ich weiß nicht, ob er so gekämpft hatte, wenn wir nicht diese innige Verbindung gehabt hätten. Jedenfalls stand er am nächsten Tag in der Box und hat mich begrüßt wie immer.
Ich will damit sagen, dass eine innige, liebevolle Verbindung mit einem Pferd unbezahlbar ist und viele Dinge möglich machen, die unmöglich scheinen. Ihn mit 25 noch operieren zu lassen, haben nicht viele Leute verstanden. Aber er hatte es verdient, dass ich ihm noch ein paar schöne Jahre ermöglichte und die hatte er absolut.
Den Satz, dass ich meine „Alten“ wegtun und mir für den Sport Nachwuchs holen soll, habe ich unzählige Mal gehört und ich kann nur darauf sagen, dass die Zeit mit den Oldies so wunderschön und wertvoll ist. Jeder der anders denkt tut mir leid, denn diese Menschen wissen gar nicht, was sie alles verpassen. Ja, die hohe Dressur zu reiten ist wirklich etwas Wundervolles, aber Freunde lässt man nicht im Stich nur weil sie älter werden und nicht mehr für den Sporteinsatz „taugen“. Das haben die Oldies, die jahrelang für ihre Reiter Leistung erbracht haben, nicht verdient!
Nun zurück zu meinem Schatz, dem Herrn Professor.
Sarino ist 31 Jahre alt geworden und war bis zum Schluss noch gut drauf.
Im Alter von 30 Jahren im Dezember letztes Jahr, hat er mich tatsächlich das erste Mal in zwanzig Jahren verloren. Er war bis dahin so fit, dass zwei Bocksprünge gereicht haben, dass ich in Wohnungsnot gekommen bin, auf der Seite hing und der Boden schlussendlich näher war, als der Sattel. Die Geschichte war der Brüller schlechthin bei allen, denen ich das erzählt habe bzw. die es live gesehen haben. Er hat mich immer beschützt, auf mich aufgepasst und nie böse gebockt. Aber mit 30 Jahren wollte er es anscheinend nochmal wissen und man kann ja nicht sagen, dass ich nicht sattelfest bin. Aber mein Fuchs hat es geschafft ohne sich groß anzustrengen. Es ist übrigens passiert, als er mir in dem Alter nochmal die Passage angeboten hat und stolz durch die Diagonale getanzt ist 😍.
Seit ein paar Wochen stand fest, dass Sarino ein Lymphom hat. Der Tierarzt meinte, dass es wahrscheinlich sein letzter Sommer sein wird. Meine Frage, ob er Schmerzen hat, hat der Tierarzt verneint und wir haben ihm mit zusätzlichem Futter unterstützt, damit er bei Kräften bleibt. Bis zum letzten Tag sind wir spazieren gegangen oder haben am Halfter ohne Sattel bisschen Späßchen gemacht, er war bis zu diesem Zeitpunkt munter und hat alles gefressen, was er erwischt hat 🥕🥕🥕.
Vor zwei Wochen ging dann alles schneller als vermutet. Im Nachhinein ist laut Tierarzt ein Tumor geplatzt und das hat dann dazugeführt, dass seine Organe versagt haben. Der Tierarzt war alarmiert, als ich gemerkt habe, dass es ihm von einer Minute auf die andere gar nicht mehr gut ging. Noch vor Eintreffen das Tierarztes hat mein Fuchs sich dann in seine Box gelegt und ist von selbst eingeschlafen. Er hat mir auf seiner letzten Reise noch die Entscheidung abgenommen und damit ein Geschenk gemacht.
Sarino hat eine wahnsinnig große Lücke hinterlassen, die kein anderes Pferd jemals füllen kann und soll. Seinen Platz ganz tief in meinem Herzen wird er immer haben. Aber er fehlt wirklich überall. Seine Hufe sind zwar nicht mehr auf der Erde, aber unsere Verbindung fühle ich immer noch und das soll sich auch nicht ändern.
Ich bin diesem Pferd einfach so dankbar. Ohne ihn wäre ich nicht der Mensch, der ich heute bin. Er hat mir gezeigt, was er bedeutet stark zu sein, nicht aufzugeben, sich durchzusetzen und noch viel mehr.
Außerdem ist mir durch ihn bewusst geworden, was es heißt zu einem Pferd eine innige Verbindung aufzubauen. Ich lernte durch ihn Pferde zu verstehen, Verhaltensweisen zu deuten und vor allem den Pferden zuzuhören!
Zum Schluss liegt mir noch was auf dem Herzen.
Meine Dankbarkeit gilt nicht nur meinem Fuchs, sondern auch meinem Vater, der mir dieses Pferd ermöglicht hat. Auch, wenn uns alle für verrückt gehalten haben, als wir mit Sarino aufgetaucht sind, es war die goldrichtige Entscheidung. Ohne die Unterstützung meines Vaters hätte Sarino nicht mein bester Freund und Lehrmeister werden können.
Einen besseren, ehrlicheren und treueren Freund als meinen Fuchs gibt es nicht. Vielleicht hat er sich gedacht, dass das kleine Mädchen, dass er vor zwanzig Jahren kennengelernt hat, nun soweit und stark genug ist ihren weiteren Lebensweg ohne ihn zu gehen. Er hat mich alles gelehrt, was er konnte.
Nun hat mein Schatz wunderschöne Flügel und ist ein Engel ❤️.
„Mein Schatz, ich werde Dich immer lieben, Dich tief in meinem Herzen behalten und Dir für immer dankbar sein! Irgendwann sehen wir uns wieder…“
Deine beste Freundin und stolze Reiterin,
Karolin 🍀