Pferde mit Handicap
➡️ Handicap als Chance ❓❓❓
🐴 Pferde mit Handicap – Was mich mein Limo lehrte…
Heute möchte ich einen Artikel reposten, den ich vor längerer Zeit mal geschrieben habe. Da Limo nun schon ein wunderschöner Engel ist, habe ich den Artikel bisschen abgeändert.
Doch ich finde dieses Thema kann man im Allgemeinen nicht oft genug ansprechen!
Die meisten von Euch werden es nicht wissen, aber mein Limo war ja auf der rechten Seite blind. Durch einen Unfall auf der Koppel 2013 wurde sein rechtes Auge leider verletzt und ist dann erblindet!
Limo kam 2002, neunjährig, zu mir und wir sind im Lauf der Jahre zu einem spitzen Team zusammengewachsen. Aus sportlicher Sicht habe ich mit ihm bei der Klasse L anfangen und bis zur Klasse S*** viele bunte Schleifen sammeln können. Ich sage immer, dass er mir den Feinschliff für die höchste Klasse verpasst hat!
Was ich Euch sagen will ist die Tatsache, dass mein Limo die Welt seit seinem Unfall etwas anders sah, als es die meisten anderen Pferde tun und darauf musste ich Rücksicht nehmen. Um es gleich vorweg zu nehmen: Ich tat das selbstverständlich gerne!
Alle Schleifen, die ich mit Limo gewonnen habe hätte ich gerne gegen sein verlorenes Augenlicht eingetauscht, wenn ich das gegangen wäre!
Es gab einige Situationen, die sich nicht nur für meinen Limo, sondern auch für mich verändert hatten. Durch unsere Partnerschaft, die auf Vertrauen basierte, konnte ich Limo immer beruhigen, wenn ihm etwas unheimlich vorkam und er dadurch unsicher war, weil er z.B. etwas nur hörte und visuell nicht einordnen konnte.
Außerdem achtete ich am Boden darauf, dass ich auf seiner dunklen Seite entweder Körperkontakt hielt oder mit ihm redete, damit er einschätzen konnte, wo ich gerade war. Er orientierte sich jetzt einfach anders und das musste ich beachten. Ab und zu, nachdem dieser Umgang für mich jetzt schon ganz normal war, vergaß ich ihn erst anzusprechen und dann konnte es schon mal sein, dass wir versehentlich zusammengerauscht sind, aber das nahmen wir uns gegenseitig nicht übel…
Eigentlich musste ich dann selber über mein Missgeschick schmunzeln 🤭.
Beim Reiten war ich immer wieder erstaunt, dass er alles für mich tat und auch dahinging, wo es für ihn dunkel war, nur weil ich es von ihm mochte! Es war allerdings so, dass ich ihm beim Reiten einige Freiheiten ließ, die aus der Sicht einer Dressurreiterin nicht ganz korrekt war.
Die korrekte Stellung und Längsbiegung war mir nicht mehr so wichtig. Es war mir schon wichtig, dass er im Genick und Halsbereich geschmeidig und vor allem beweglich blieb, aber wenn er mir beim Reiten signalisierte, dass er sich gerade mal lieber umschauen wollte, weil er was gehört hatte, was er nicht sehen konnte, dann war das kein Problem. Dafür hatte ich ein paar Übungen am Boden, die seinen Hals beweglich hielten und das war mir das Wichtigste.
Zusammengefasst musste ich nun im Umgang und auch beim Reiten auf sein Handicap Rücksicht nehmen und manchmal auch noch geduldiger sein.
Diese Rücksicht auf das Handicap eines Pferdes sollte jeder Reiter nehmen. Das gilt nicht nur für das Thema Blindheit, sondern für alle körperlichen Schwächen, für die das Pferd nichts kann. Man darf nur das vom Pferd verlangen, was es auch leisten kann. Es sind keine Maschinen, sondern wertvolle Lebewesen.
Mir persönlich stinkt es gewaltig, wenn Pferde aufgrund ihres Handicaps verdroschen, verprügelt und zu etwas gezwungen werden, was sie schlicht und ergreifend nicht leisten können. Was im Maul des Pferdes mit den Gebissen aus Zorn, Wut oder auch Hilflosigkeit des Reiters veranstaltet wird, davon will ich gar nicht erst anfangen. Ich bin der Meinung, dass kein Pferd grundlos den „Dienst“ verweigert! Hinter jeder sogenannten Unart eines Pferdes steckt eine Ursache. Sei es ein Schmerz oder einfach die Tatsache, dass das Pferd seinen Reiter nicht verstanden hat.
Natürlich gibt es „Regeln“ zwischen Mensch und Pferd, die beide beachten und einhalten müssen, da sonst der Umgang mit den mächtigen Tieren irgendwo auch zu gefährlich wäre. Aber ein vertrauensvolles Miteinander erreicht man nicht mit Gewalt und Zwang, sondern mit gegenseitigem Respekt!
Um noch auf einen anderen Punkt im Zusammenhang mit den Handicaps zu kommen, der mir sehr am Herzen liegt:
Ich bitte jeden, der diese Zeilen liest und ebenfalls ein Pferd mit Handicap hat, NICHTS auf das äußerst kompetente und sicher nur „gut gemeinte „Gerede der werten Mitreiter zu geben, was mit dem Handicap des jeweiligen Pferdes zusammenhängt!
Diese bestimmten Personen können, sofern sie keine ähnliche Baustelle haben, nicht beurteilen, wie sich der Umgang mit den etwas anderen Pferden gestaltet.
Kurz gesagt:
Dumm oder „schlau“ rumreden, aber keinen Schimmer haben, was eigentlich Sache ist! Davon darf man sich nicht verunsichern lassen. Die Pferde zeigen ihren Reitern schon, sofern diese auch zuhören, wenn etwas nicht stimmt. Außerdem sollte man immer wissen, wer mit guten Ratschlägen auf der Bildfläche auftaucht.
Sei es also, dass ein Pferd auf einer Seite ein dunkles Auge hat oder nach einer Verletzung nicht gleich wieder wie aus dem Lehrbuch durchs Viereck tanzt bzw. fehlerfrei über die Hindernisse im Parcours hüpft oder dass ältere Semester mit vielen Kilometern auf dem Tacho ein paar Runden zum einlaufen brauchen und nicht gleich wie ein Uhrwerk losmarschieren oder oder oder… Ich denke, es ist klargeworden, was ich meine.
Abschließend möchte ich festhalten, dass jedes Pferd – wie auch JEDER Mensch ! – mit einem Handicap genauso so viel wert und vor allem liebenswert ist, wie alle anderen, die mit voller Gesundheit gesegnet sind.
Ich liebte meinen Limo auch mit seinem dunklen Auge noch genauso wie vorher. Eigentlich wusste ich ab diesem Zeitpunkt sein wunderschönes helles strahlendes Auge und seinen Blick viel mehr zu schätzen wie vorher und außerdem hatte ich zu ihm eine noch innigere und intensivere Beziehung entwickelt. Man könnte fast sagen, dass wir uns in vielen Situationen nochmal neu kennengelernt haben, obwohl wir uns ja schon über 10 Jahre kannten! Es ist für mich immer wieder erstaunlich wie sensibel ein so mächtiges Geschöpf von fast 700 kg sein kann.
Limo lehrte, was ich vor seinem Unfall noch nicht wusste oder einfach nicht wahrgenommen habe und ich danke ihm dafür 🐴💕.
Man sollte das Handicap seines Pferdes als Chance sehen Dinge noch intensiver zu erleben und jeden Moment, den man mit seinem Pferd hat, zu schätzen wissen.
Ein Frohes Osterfest für Euch 🥳.